Die Pflegereform 2022 hat erste positive Veränderungen gezeigt. Große Schritte sind noch offen.
Mit den Entgeltfortzahlungszweckzuschussgesetz wurden die Einkommen verbessert, von der zusätzlichen Entlastungswoche profitieren etliche Kolleg:innen in Form einer zusätzlichen Urlaubswoche und auch bei den Ausbildungen wurden finanzielle Verbesserungen erreicht. Klar war, dass diese Maßnahmen nur ein erster Schritt sein konnten. Wirklich schwierige Themen wie beispielsweise ein quantitativ und qualitativ zufriedenstellender Personalschlüssel, eine funktionierende Durchlässigkeit bei den Ausbildungen, der Abbau eines veralteten Hierarchiedenkens durch eine gelebte Interdisziplinarität sind schwierige Themen, die nach wie vor offen sind. Problematisch bleibt diese Pflegereform, wenn sie nicht weitergeht, nicht in eine allgemeine Gesundheitsreform mündet. Und: Eine umfassende Gesundheitsreform muss alle Berufsgruppen erfassen, eine adäquate Finanzierung sicherstellen und der gesellschaftspolitischen Dimension dieses Bereichs Rechnung tragen.
Verbesserungen für Gesundheits- und Sozialberufe
Bei den Reformen für diese Berufsgruppen braucht es eine Vielzahl an Maßnahmen um den Sektor zukunftsfit zu machen. Wesentliche Forderungen sind fortschrittliche Arbeitszeitmodelle, die verhindern, dass Menschen ausbrennen; quantitative und qualitative Kriterien bei der Personalberechnung inklusive einer Vereinheitlichung der Berechnungsgrundlage; Interdisziplinarität als Ausbildungsgegenstand in allen Berufsgruppen im Gesundheits- und Sozialbereich und nicht zuletzt eine finanzielle Aufwertung der Berufe.
Eine transparente, nachhaltige und gerechte Finanzierung
Hinsichtlich der Finanzierung braucht es als Sofortmaßnahme die umfassende Transparenz. Um Finanzierungsströme regulieren und vereinheitlichen zu können, ist ein Überblick über den Status quo notwendig. Ziel muss die Steuerung aus einer Hand sein. Auch die Verbreiterung der Finanzierungsgrundlage ist anzudenken. Warum müssen Leistungen, die der Allgemeinheit zu Gute kommen ausschließlich aus Löhnen finanziert werden? Warum sollen Kapitalerträge keinen Beitrag dafür leisten?
Reformen im Gesundheits- und Sozialsystem als aktive Gesellschaftspolitik
Eine aktive Gesundheits- und Sozialpolitik hat hier eine Menge Handlungsfelder, um eingefahrene Strukturen zum positiven Nutzen für alle zu verändern. Eine österreichweite Harmonisierung von Leistungen beispielsweise. Warum entscheidet der Hauptwohnsitz in einem Bundesland darüber, ob ich eine Leistung erhalte oder nicht? Oder: 23 Krankenanstaltengesetze in einem Land mit nicht einmal 10 Millionen Einwohnern ist ja wirklich etwas „crazy“. Und wie wäre es, wenn es gelänge, Patientenströme zielgerichtet zu lenken. Beispielsweise in dem der Umgang mit medizinischen Einrichtungen in Bildungspläne eingebaut würde. Dazu müsste natürlich der niedergelassene Sektor in der Medizin und in der Pflege tatsächlich ausgebaut UND attraktiviert werden.
All diese offenen Probleme zeigen, dass konstruktives politisches Handeln das Gebot der Stunde ist. Eine Vogel-Strauß-Politik gefährdet Arbeitnehmer:innen und Patient:innen.
Sonja Müllner